Da sind wir nun also…. Im Palau de Congresos in Palma. Tausendmal daran vorbeigefahren, während der Bauphase und danach in den jahrelangen Zeiten des Stillstands, des Nicht-genutzt-werdens. Tausendmal die Frage auf der Zunge: wie sieht dieser Kongress-Palast, Gewinner-Projekt eines internationalen Wettbewerbs, von innen aus? Nun steht die Eröffnung bereits in den Kalendern, ein guter Zeitpunkt also, um der Bevölkerung das sperrige Gebäude näherzubringen. Die Architektenkammer hat ihre Mitglieder zu einer Vorab-Besichtigung geladen, die Neugier der Kollegenschaft darf befriedigt werden.

     Architektur im Kontrast

Kongresspalast Palma palacio de congresos

Verkleidung in Aluminium und Naturstein

Von aussen eine strenge Fassade mit mächtigen Vor- und Rücksprüngen, gewaltigen Überhängen, die der Architekt Francisco Mangado eckig, fast widerstrebend gegen die Küstenpromenade in den Strassenraum vorschiebt. Nichts das sich lässig einfügt, aber was füge sich hier schon ein? Die Umgebung so vielfältig banal, angefangen vom sozialen Wohnungsbau der 60er Jahre im Hintergrund, die neuzeitliche Rendite-Architektur luxuriöser Eigentumswohnungen links vorne, bis zum ungeliebten GESA-Gebäude nebenan. Da wird jeder Bau, der sich absetzen will und soll zum Fanal, jede Idee moderner Komposition in Raum und Material gerät zum Statement. In der Eingangshalle des seitlich an den Komplex angeschlossenen Hotels findet die Begrüssung statt. Die Lobby müssen wir uns durch eine schmale Tür erobern, die einem Einfamilienhaus angemessen wäre. Als Hotelgast habe ich sicher Schwierigkeiten, Gepäckstücke, die grösser sind als ein Aktenkoffer, in die Lobby zu befördern. Oder wird dem Gast schon draussen auf der Einfahrt auch das kleinste Gepäckstück entrissen, damit es mit den üblichen Rollwagen auf geheimnisvolle Weise, vielleicht durch unterirdische Gänge und versteckte Lifts ins Gastzimmer gelangt?

Jugendliche Innenraumgestaltung der Bar

Die Frage wird nicht beantwortet. Die freundliche Repräsentantin des Kongresspalastes teilt dann auch die Einschränkung im ersten Satz mit. Nein, das 4-Sterne-Hotel der Melià-Kette könne man nicht besichtigen, allerdings gebe es zur Eröffnung kurzzeitig Sonderangebote vor allem für Residenten. (*) Melia Kongresshotel Palma Lounge  
Melia Palma Kongresshotel Frühstücksraum und Lounge mit Internet-Stationen

Frühstücksraum und Lounge. Optisch gelungen, lassen sich an diesen Internet-Stationen jedoch allenfalls kurze Nachrichten abrufen.

              Damit werden wir auch schon wieder hinaus komplimentiert und unter den Überhang des Baukörpers an die westliche Ecke geführt, an den Haupteingang unter der sich agressiv gegen den Hafen schiebenden Spitze. Wir sind versucht, den Kopf einzuziehen, so niedrig erscheint die auskragende Decke. Ein beklemmendes Gefühl, das sich dann im Innern auflösen soll, wo sich, aus dem eher dunklen Vorraum mit Garderobe und Nebenräumen tretend, unerwartet schmale, 3 bis 4 Geschoss hohe Bereiche öffnen. Zweifellos ein aha-Efekt. Wird doch in der Architektur-Gestaltung der Kontrast zwischen niedrig und hoch, weit und eng, hell und dunkel häufig angewandt weil sensitiv stark erfahrbar. Kongresspalast Palma palacio de congresos Doch die hier gewählten Dimensionierungen empfindet nicht jeder als angenehm. Vor allem, da sie noch durch die kontrastierenden Deckenflächen, Boden- und Wandbeläge gesteigert werden. Die Materialien insgesamt sind ein Thema, das in der Besuchergruppe schnell auftaucht und während des gesamten Rundgangs weiter erörtert wird.

Materialwahl, Art und Beschaffung

Die Aussenhaut des Palau zum Meer hin ist eine Stahlkonstruktion, deren zur Beschattung der Fensterflächen dienende tiefe Fassadennischen mit neuartigen Aluminiumplatten verkleidet sind. Aluminium als Grundmaterial gegossen, in winzige Partikel zerrissen und wieder neu zu dünnen Platten verpresst, wie uns erklärt wird. Die Menge des durch die Vor -und Rücksprünge der Fassade benötigten Materials legt die Frage nahe, ob in heutiger Zeit, in der wir uns bewusst sind, wie die Herstellung bestimmter Produkte der Umwelt schadet und Bodenschätze in ungeahnter Geschwindigkeit vernichtet, ob der exzessive Gebrauch solcherart belasteten Materials noch angemessen ist. Wobei auch die Beschaffung ein Gesichtspunkt ist. Die zweifellos in Farbe und Struktur interessante Wandbekleidung in den Foyers aus mit Nuten geripptem, dunkel-feurigem, original afrikanischem Hartholz hat im Budget letztendlich ein so tiefes Loch gerissen, dass in der Endphase des Baus an anderer Stelle massiv eingespart werden musste. So endet der angenehme und schlicht graue, grossformatige Steinbelag des Erdgeschosses an den Treppen zu den oberen Foyers. Palau de Congresos Palma, escalera Abrupt wechselt nun auf den Stufen das Material zu simplem Laminat in heller Holz-Optik, das auch in den oberen Geschossen beibehalten wird und sich dort in den Foyers mit dem afrikanischen Wandbelag heftige Schlachten um Aufmerksamkeit liefert. Vielleicht hätte sich ein dunkler Belag besser eingefügt, auch wenn er aufwendiger in der Pflege ist. Aber auch das ist eine Frage des Budgets, diesmal zum Unterhalt.

      Durchgängiges Farb-/Material-Konzept

Schliesslich landen wir im grossen Kongressaal. Die Bestuhlung in anthrazitgrau passt zum Farbkonzept des Erdgeschosses, alle notwendige Technik ist in die Rückenlehnen integriert.

Der Rang, der zu einem separaten Vortragsraum abgetrennt werden kann.

Die Beleuchtung abwechslungsreich, jedoch aufwendig durch indirekte Wandbeleuchtung aus verkanteten Schlitzen, die keinen nennenswerten Effekt haben und die der gewöhnliche Besucher gar nicht erst bemerken dürfte, aber zweifellos die Detailfreudigkeit des Architekten an dieser Stelle belegt. Ein kleinerer Teil der frontal ausgerichteten Ränge ist aus der Achse gedreht um bessere Sichtverhältnisse zu schaffen. Ein Teil des obersten Ranges kann mittels einer aufwendigen Technik, wie z.B. einem ausfahrbaren Boden im vorderen Bereich und vertikaler Abschottung zum grossen Saal hin in einen separaten Vortragssaal verwandelt werden. Ob sich diese Investition auszahlt, muss sich zeigen, da die Sichtverhältnisse dann auf diesen kleinen Raum bezogen, nicht günstig erscheinen.

        Ausblicke aufs Meer

Anschliessend wandern wir dann durch die obersten Foyers, die sich sehr geschickt mittels variabler Zwischenwände in einzelne Sitzungs- oder Festräume teilen lassen und einen eigenen Küchen- und Service-Bereich haben. Auch hier wieder weisse Wände und der Laminat-Boden mit seinem eigentümlichen, unangenehm klackernden Sound beim Betreten. Terrasse Congresszentrum Palma Wir landen dann auf der Terrasse, dem Highlight – übrigens mit überzeugender Ganzglasbrüstung -, die heute gerade zu einem outdoor-event vorbereitet wird. Die Stehtische sind schon auf dem schönen Holzdeck verteilt und mit ihren unabdingbaren weissen Kleidern versehen. Das Personal putzt Glas und Porzellan vor der einmaligen Kulisse der Küste beim Strand Ca‘n Pere Antoni, dem Lieblingsstrand des amtierenden Königs und seiner Familie. Schon allein diese Nähe, die Sicht auf diesen Küstenabschnitt dürfte in den Medien und der Vermarktung einiges Gewicht haben. Beim Verlassen des Gebäudes fällt mir ein Fassadendetail auf, das, wie ich denke, nur von einem männlichen Architekten stammen kann.

Fassadendetail

Der Zynismus sei mir verziehen, aber wie in aller Welt soll eine Putzfrau an diesem Platz korrekt ihre Arbeit tun? Wo Wind und Wetter alles Verfügbare, einschliesslich Sand, Zigarettenkippen und Papierfetzen in einem zwanzig Zentimeter schmalen Zwischenraum zwischen äusserer Stein- und innerer Glasfassade ablegen und die Scheiben vom Salzgehalt der Luft allein eintrüben…. Aber vielleicht gibt es dafür auch noch eine Lösung. Wo ein Bedarf besteht, kann sich die Industrie ja noch etwas einfallen lassen.  
Alle Fotos: Angelika Hermichen
(*) Hotel Melià: https://www.melia.com/de/hotels/spanien/mallorca/melia-palma-bay/index.htm GESA Gebäude von Arch. José Ferragut: https://joseferragutpou.com/category/edificio-gesa/ (spanisch)