Der Kiosk “Mundial” in Palma
Das Wahrzeichen Palma de Mallorcas im frühen 20. Jhd.
mit freundlicher Genehmigung des Autors Manuel García Gargallo, Palma 02 MAR 2024
Übersetzung: Angelika Hermichen
Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in den Straßen und auf öffentlichen Plätzen ein neuer Gebäudetyp: der Kiosk, idealer Verkaufsraum für Zeitungen, Erfrischungsgetränke und Blumen. Die Lebensart der Gesellschaft hatte sich geändert und nun mussten neue Bedürfnissen erfüllt werden. Anfänglich wurden von Privatpersonen einfache Hütten erstellt, die eine amtliche Konzession zum Betrieb erhielten und die sie nach und nach qualitativ verbesserten. Ihr Erfolg motivierte zum Bau anspruchsvollerer Kioske, die gelegentlich auch einen bemerkenswerten architektonischen Wert besassen.
In Palma gab es dafür grossartige Beispiele wie etwa der von Gaspar Bennazar entworfene Kiosk am Ende des Born zur Plaça de la Reina hin, wie zeitgenössische Fotografien beweisen.
Es gab jedoch noch ein weiteren, der sowohl durch seine schiere Größe auffiel, als auch durch seine Architektur, aber ebenso seiner sozialen Bedeutung und visuellen Wirkung wegen, der des „s’Arquitecte“ (wie Gaspar Bennazar, der bedeutendste Architekt dieser Zeit in Palma allgemein genannt wurde. Anmerkung des Übersetzers). Es handelt sich um den Mundial, einen monumentalen Kiosk mit Erdgeschoss und Obergeschoss, der an einer Ecke des Parks „Jardins de Joan Alcover“ an der Plaça de la Reina errichtet wurde, an der Kreuzung von Carrer Del Conquistador und Carrer Antoni Maura. Auch bekannt als „El Chiringuito“, befand er sich an einem strategischen Punkt der Stadt: am Anfang des Born, gegenüber dem heute nicht mehr existierenden Teatro Lírico und dem Café Alhambra (später „Riskal“). Zwischen den dicht belaubten Bäumen des Gartens, in der Nähe von La Seu und La Almudaina markierte er das Eingangstor zur Stadt für Besucher, die an der an der Moll Vell das Schiff verlassen hatten.

Der Mundial erregte nicht nur wegen seines privilegierten Standorts Aufmerksamkeit. Entwurf, Ästhetik und Funktionen hoben ihn von seiner Umgebung ab. Der isolierte Bau wurde mit Erdgeschoss und Obergeschoss aus Schmiedeeisen Holz und Glas über einem unregelmässigen achteckigen Grundriss errichtet (tatsächlich eher ein Quadrat dem die rechwinkligen Ecken gekappt wurden), was ihm eine Anmutung als Mischung aus Pavillon, Gewächshaus und einer riesigen Voliere gab, eine auffällige gläserne Galerie von exotischem und bukolischem Charakter.
Diese Ästhetik verbindet ihn mit der Spätmoderne, die Baustruktur jedoch basiert auf der sogenannten Eisenarchitektur, die erstmals mit dem Crystal Palace für die Weltausstellung 1851 in London eingeführt wurde.
Aufgrund der kühnen Verwendung dieser neuen Bau-Materialien Eisen und Glas sowie durch neue Konzepte von Raum und Belichtung hatte er später großen Einfluss auf die bürgerliche Architektur (zum Nachteil des konventionellen Backsteins).
Frühere Kioske
Die ersten Kioske in den heutigen Jardins de Joan Alcover stammen vom Ende des 19. Jahrhunderts, als sie sich – mit bescheidenen Abmessungen – in der ganzen Stadt ausbreiteten. Zu Beginn des letzten Jahrhunderts erschien eine Schlüsselfigur: Bernat Cortés Fuster, „Bernat vom Kiosk“, der 1905 die Konzession eines einfachen Limonadenstandes in den Gärten übernahm, in den er selbst kaum hineinpasste. Da er gute Arbeit leistete und dank der strategischen Lage, florierte das Geschäft und im März 1914 bat Cortés den Stadtrat um die Genehmigung zum Bau eines neuen, größeren und komfortableren Gebäudes.
Im Juni desselben Jahres wurde der neue Kiosk eröffnet, zeitgleich mit der Einweihung der neuen Grünanlage der „Glorieta“ (noch ohne das Denkmal für Joan Alcover) und der Fiesta de la Flor (Blumenfest), einem damals sehr beliebten Fest, das mit dem Fronleichnamsfest zusammenfiel. Die Verbesserung war beträchtlich: das Gebäude wurde größer und erhielt eine Außenterrasse. Aber das war noch nicht das Ende. Es war nur ein einstöckiges Gebäude und ästhetisch gesehen war es immer noch ein Kiosk wie jeder andere. Das Geschäft wuchs weiter und im Jahr 1924 wagte der Besitzer einen weiteren Schritt, ebenso riskant wie kühn.
Bau
Im Februar 1924 wurde beim Rathaus ein Antrag auf den Bau eines weiteren Kiosks eingereicht, der den vorherigen ersetzen sollte. Dieser hatte ein Obergeschoss und ein Design, das niemanden gleichgültig lassen würde. Es gab Proteste und sogar Kontroversen über die Konzession. Das Projekt überschreite die Proportionen eines herkömmlichen Kiosks und wurde auch als unansehnlich gebrandmarkt, aber es wurde genehmigt.
Mitte desselben Jahres war der neue Kiosk Realität: ein imposantes Gebäude mit eigenem Charakter, der nun „Mundial“ getauft wurde. Eine der emblematischsten Postkarten der Stadt war geboren.

Im Februar 1924 wurde beim Rathaus ein Antrag auf den Bau eines weiteren Kiosks eingereicht, der den vorherigen ersetzen sollte. Dieser hatte ein Obergeschoss und ein Design, das niemanden gleichgültig lassen würde. Es gab Proteste und sogar Kontroversen über die Konzession. Das Projekt überschreite die Proportionen eines herkömmlichen Kiosks und wurde auch als unansehnlich gebrandmarkt, aber es wurde genehmigt.Mitte desselben Jahres war der neue Kiosk Realität: ein imposantes Gebäude mit eigenem Charakter, der nun „Mundial“ getauft wurde. Eine der emblematischsten Postkarten der Stadt war geboren.
Schon bald wurde er zu einem beliebten Treffpunkt für die Bürger. Während das Erdgeschoss und die Außenterrasse als Café fungierten und von der lokalen Kundschaft frequentiert wurden, hatte das Obergeschoss eine andere, ergänzende Nutzung: die Internationale Buchhandlung, ein Raum, der als Bibliothek, Lesesaal für ausländische Presse und Verkaufsstelle für Bücher in verschiedenen Sprachen diente.
Auf diese Weise wurde der „Mundial“ zu einem regelmäßigen Treffpunkt für die in Palma ansässige ausländische Kolonie und den beginnenden Tourismus, der damals noch spärlich war, aber über eine grosse Kaufkraft und ein hohes kulturelles Niveau verfügte. Es war auch eine Verkaufsstelle für kulturelle Veranstaltungen (Konferenzen, Gedichtvorträge, klassische Musik usw.), initiiert und gefördert von den ausländischen Residenten, die sich dort versammelten.
Dieses Konzept verlieh dem Kiosk eine andere, eine besondere Note, ein polyglottes und internationales Plus, das ihn von den anderen unterschied; so gegensätzliche Persönlichkeiten wie Santiago Rusiñol, Gabriel Alomar oder Gregorio Crespo gingen dort aus und ein und machten den „Mundial“ zu einem grossen Erfolg.
Doch nicht alles war positiv und von Beginn an gab es scharfe Kritik. Es wurde als „weltweit einzigartiger Schandfleck“ bezeichnet, „hässlich und geschmacklos“ (Miquel Ferrà, Alanís) oder als „Widerhaken“ und „visuelle und materielle Verirrung“ (Llorenç Villalonga, Dhey) bezeichnet. Das Problem war jedoch ein internes: die kostspieligen Investitionen brachten nicht die erwarteten Gewinne, und Cortes bat den Stadtrat, die jährlichen Gebühren zu senken, da er sie für überhöht hielt. Diesem Antrag wurde zwar zunächst stattgegeben, später aber wiederholt abgelehnt. Cortes suchte nach anderen Einnahmequellen, und die Außenfassade wurde nach und nach vollständig mit Werbetafeln versehen, wodurch der ursprüngliche ästhetische Wert beeinträchtigt wurde und die Anlage zu einer vulgären und dekadenten Erscheinung verkam. 1932 beantragte der Eigentümer sogar, die äußeren Segeltuch-Markisen durch Faserzement-Platten zu ersetzen (was abgelehnt wurde), was darauf hindeutet, dass der ursprüngliche ästhetische Wert des Mundial bereits an Bedeutung verloren hatte, wenn nicht sogar völlig verloren war.
Im Jahr 1933 gab Bernat Cortés die Konzession aus gesundheitlichen Gründen ab und starb im darauf folgenden Jahr. Die nachfolgenden Besitzer blieben nur wenige Jahre und änderten nichts an der Führung des Kiosks, dessen Aussehen sich nach und nach weiter verschlechterte. Anfang der 1940er Jahre wurde das Obergeschoss als möglicher Friseursalon zur Vermietung ausgeschrieben, und obwohl die Buchhandlung überlebte, verlor sie ihre ursprüngliche Bedeutung und verkaufte schließlich Kunsthandwerk und Raselet-Rasierer. Der Höhepunkt dieser Entwicklung war die Anbringung eines riesigen Schildes auf dem Dach für den Ibiza Ballroom (später Jartan’s Club), der Ende 1947 in Santa Catalina eröffnet wurde.
Abriss
Die Degradierung gab den Kritikern insgeheim Recht, die allgemeine Meinung wurde immer negativer. Als Anfang 1949 die 25-jährige Konzession für das „Mundial“ auslief, beschloss die Stadtverwaltung, sie nicht zu verlängern und das Gebäude abzureißen. Offiziell wurde der Abriss mit der neuen Stadtplanung begründet, doch Stimmen wie die des Stadtrats Josep Pons Marqués (Vater des späteren Politikers Félix Pons) fügten „Gründe des guten Geschmacks“ hinzu, um das Gebäude zu entfernen. Am 20. Juni 1949 begann der Abriss und das Gelände wurde in die Jardins de Joan Alcover integriert. Der „Mundial“ hatte genau 25 Jahre existiert.
Sein Abriss war sogar profitabel: 1954 versteigerte die Stadtverwaltung das Abrissmaterial, sodass Teile davon in anderen Teilen der Stadt wiederverwendet wurden. Bald darauf begann die geplante Stadtsanierung. Die Kreuzung der Carrer Conqueridor und der Carrer Antoni Maura wurde verbessert und der Born um einige Meter gekürzt, wodurch die beliebten Löwen an ihren heutigen Standort verlegt wurden und der Kreisverkehr an der Plaça de la Reina entstand.
Im Allgemeinen wurde das Verschwinden des „Mundial“ als eine Verbesserung angesehen: Gabriel Fuster Mayans, Gafim, beschrieb es als „besonders hässliche Imbissbude eines Vorkriegs-Strandbades“, und sei für die, die es besuchten, nur von sentimentalem Wert. Nicht alle stimmten dem zu: Für Miguel Bennazar (Sohn von s’Arquitecte) stürzte sein Verschwinden „diesen schönen Garten in trostlose Traurigkeit“
Dort wo er stand, erinnert nichts mehr an den „Mundial“. Uns bleiben die Postkarten, auf denen er als einzigartiges Element auftaucht, das die Ansichten der Almudaina, des Lírico, des Seu, des Café Alhambra, des Born, des Kiosks von Bennazar oder der Lleones aufgrund seiner privilegierten Lage untermalt. Auch der Film „El secreto de la pedriza“ (Francesc Aguiló, 1926) zeigt es in einer seiner letzten Szenen. Und es ist wahrscheinlich, dass Autoren wie Georges Bernanos oder Albert Vigoleis Thelen einen Teil ihrer Werke dort geschrieben haben.
Wiederaufbau…?
In diesem Jahr (2024, Anmerkung des Übersetzers) wird ein doppeltes Jubiläum begangen: 100 Jahre Bau des „Mundial“ und 75 Jahre seit seinem Abriss. Seine Geschichte ist die Geschichte vieler Elemente des lokalen Kulturerbes, die durch Verfall, Vernachlässigung oder Gewinnsucht entwertet wurden (mehr oder weniger beabsichtigt…), bis ihr Zustand zu einem Ärgernis wurde und durch den gesellschaftlichen Protest der Abriss zu einer Notwendigkeit wurde, trotz ihres enormen Wertes. In diesem Fall kam noch hinzu, dass er dank seiner Lage, seiner Einzigartigkeit und seiner Attraktivität bei der Bevölkerung sehr beliebt war, was ihn gleichzeitig zu einem einfachen Ziel im Sinne des „Fortschritts“ der Stadt machte. Ein weiterer Fall, und nicht der letzte.
Wir sind jedoch der Meinung, dass der „Mundial“ wieder aufgebaut werden kann. Angesichts seiner Eigenschaften könnte er an anderer Stelle auferstehen – denn die Jardins de Joan Alcover sind unantastbar – und er würde sicherlich bald seine Bedeutung als emblematischer Treffpunkt in der Stadt wiedererlangen.
Dieser Kiosk, eine Mischung aus Pavillon und Wintergarten, um den herum sich das gesellschaftliche Leben der Stadt abspielte, ist ein Symbol für die Stadt. Das Chiringuito, eine Mischung aus Pavillon und Gewächshaus, um das sich das gesellschaftliche Leben der Stadt drehte, hat genug Persönlichkeit und Charakter, um das schlagende Herz der Stadt zu sein, das es einmal war. Das ist die Idee, die wir haben und die uns bleibt… und die Hoffnung, dass er eines Tages wieder stehen wird.
Wer weitere Informationen über den Mundial-Kiosk geben möchte, kann schreiben an: kioscomundial@gmail.com
Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung von FAM Fotos Antiguas de Mallorca. Bitte Copyright beachten.