Man kennt die Schweiz. Das heisst übersetzt: Urlaubslandschaft, Banken, Schokolade. Aber 6 Gründe für ein spannendes Wochenende in Zürich… Gibt’s die?

Doch, es gibt sie, für ein langes Wochenende oder sogar mehr. Mit Architektur und Design, Kultur und Landschaft.

Kommen Sie mit mir…

Landung im Highlight

Mein spannendes Wochenende in Zürich beginnt am Flughafen. Mit Architektur, denn schon dieses „Airside-Center“ ist ein Highlight. Entworfen von Grimshaw Architects, eine elegante Stahl-Glas-Konstruktion mit Einschüben aus Holz und Alu im Bereich Shoppingcenter und Gates.

Dach-Untersicht Flughafen-Terminal. Stahl-Fachwerk-Struktur

Und natürlich kann ich mich auch gleich hier schon von den Herren Lindt und Sprüngli begrüssen lassen. Wäre damit schon einer der sechs Gründe für mein spannendes Wochenende in Zürich abgehakt…? Weit gefehlt, die Chocolatiers haben noch sehr viel mehr zu bieten.

Zunächst aber fahre ich – mit der schon zuvor online erstandenen Zürich Card – per Zug zum Bahnhof Enge. Die Architekten Otto und Werner Pfister benutzten für das einen Halbkreis bildende Gebäude mit zweigeschossigen Arkaden fast ausschliesslich Tessiner Granit. Nach der Fertigstellung 1927 wurde der davor liegende Platz entsprechend in Tessiner Platz umbenannt.

Tessiner Platz

Den mittleren, runden Innenraum als Zugang zu den Gleisen dominiert eine Lichtkuppel mit hölzerner Verkleidung des Kuppelschachtes. Darunter lockern mit Holzgittern versehene quadratische Öffnungen über den Durchgängen den massigen Baukörper auf.

Das Erdgeschoss wird heute dominiert von Geschäften für Reisebedarf und fast-food-Angeboten. Die Dekoration eines asiatischen Restaurants unter den Arkaden fügt sich allerdings erstaunlich gut in die „Tessiner“ Umgebung ein.

Altbewährtes im neuen Gewand

Gegenüber des Bahnhofs macht das dort untergebrachte FIFA-Museum mit riesigen Lettern auf sich aufmerksam. Für manchen sicher auch ein Bestandteil eines spannenden Wochenendes. Aber mich interessiert mehr das Gebäude selbst. Ein bewegt gestaffeltes, mit dunklen Platten (als Doppelfassade?) verkleidetes Wohn-und Geschäftshaus, an den Gebäudeecken fällt eine Lösung mit den bis in die 50er Jahre noch so beliebten Doppelfenstern auf. Wie schön, dass diese effektive Methode für energietechnisch perfekte Fenster einen Befürworter gefunden hat, der zudem in der Lage war, diese Vorteile in einwandfreies, zeitgemässes Design (und entsprechende Technik) zu übersetzen.

Arbeiten unterwegs

Gleich daneben ist in einem Bau im Stil des “beton brut” eine coworking-Lounge untergebracht, dessen Barbereich auch als öffentliches Internetcafé dient.

Derzeit wird noch mit günstigen Angeboten für die gut gestalteten und bestens ausgestatteten Räume und Arbeitsplätze um Mieter geworben. Wenn ich länger in Zürich bliebe…

Schweiz-Italien-Asien

Der erste Spaziergang ohne Gepäck führt mich zum Rietberg-Museum, dem einzigen Museum für ostasiatische Kunst in der Schweiz. Das klassizistische Hauptgebäude, die Villa Wesendonk, öffnet sich mit seinen Loggien im italienischen Stil zum Rieter Park und zum Zürichsee.

Auf der Rückseite wurde 2007 der Smaragdbau der Architekten Krischanitz und Grazioli angefügt, ein kleiner, grün bedruckter Glaskörper, dem Eingang zu den Sammlungen im Untergeschoss. Spektakulär die Lichtwirkung im vorderen Teil. Im Treppenbereich grosszügige Wandgestaltung in Braun-Gold, durch eine Alabaster-Lichtdecke in Szene gesetzt. Unten dann wird die eindrucksvoll gestaltete Ausstellung ergänzt von einem frei zugänglichen Schaulager mit raumhohen Glasvitrinen.

Im Café überrascht nicht, dass in den angenehm zeitgenössisch-modern restaurierten Räumen der alten Villa erstklassige Schweizer Gastronomie geboten wird. Den kleinen Snack oder ein üppiges Frühstück darf sich der Besucher auch mit hinaus unter die klassizistische Pergola oder auf die „Liege“-Wiese mitnehmen. Erholung pur, optisch und gastronomisch.

Landschaftspark mit Seeblick

So gestärkt wandere ich durch die weitläufige Gartenanlage hinunter zum Belvoirpark und weiter den Mythenquai entlang, vorbei an Holzbauten der älteren (u.a. Strandbad Mythenquai von 1954 und Polytechnischer Ruderclub) und jüngeren Generation

und der international bedeutsamen Sukkulentensammlung zum Sitz der Swiss Re, dem Hauptsitz der weltweit zweitgrössten Rückversicherungsgesellschaft. Schon 2004 machte der Konzern durch den Bau von „The Guerkin“, 30 St. Mary Axe, von Norman Foster in London von sich reden (siehe https://relaunch.ahabaustift.com/reist-nach-london-1 “Platzgestaltung”…).

Der ebenfalls bemerkenswerte Bau von Diener & Diener, eingeweiht im Herbst 2017, funkelt als kubischer Solitär zwischen den klassizistischen Nachbargebäuden der Swiss Re.

Traditionelles Gebäude, Sandstein, mit Erkern und Dachturm

Die Wellenförmigen Glasplatten der Doppelfassade, inspiriert von den leichten Wasserbewegungen des Sees, reflektieren vielfältig die Umgebung. Und sind für Fotografie-Begeisterte auf ihre Art ein Grund für ein spannendes Wochenende in Zürich.

Gleich nebenan dann wieder solide Schweizer Rendite-Architektur und gut proportionierte bürgerliche Gebäude vom Ende des 19. Jhdts.

Traditionelle Architektur

Ein Stück weiter Richtung Innenstadt fallen an der Bleicher-Str./Alfred-Escher-Str. zwei ArtDeco/Jugendstilhäuser von 1906 auf. Grosse Sandstein-Gebäude, angemessen gegliedert, die Fassaden harmonisch durchgestaltet bis ins Detail. Die Architekten: Alfredo Chiodera und Theophil Tschudy.

Zum Abschluss des Tages steht noch ein Abstecher zum Hürlimann-Areal an. Nach dem Umbau der ehemaligen Brauerei 1997 zu einem zeitgemässen Quartier mit Wohnungen, Geschäften und Büroräumen wurde später auch ein Spa eingerichtet.

2007 zog der Betreiber einer bekannten Suchmaschine in den Komplex, 2012 etablierte sich hier das B2 Hotel-Konzept.

2-Geschoss hohe Bibliothek mit raumhohen Bücherregalen und Kronleuchter aus Weinflaschen.
Wine-Library. Foto credit: mit freundlicher Unterstütztung durch B2 Hotel

Das Boutique-Hotel ist bekannt für seine spektakuläre Hotellobby, der Wine-Library. Weinkenner und Büchernarren sind hier in ihrem Element und bezeichnen auch dies als einen guten Grund für ein spannendes Wochenende in Zürich.

Unterhalb der Quartierskirche an der Blederstrasse stosse ich auf ein sympathisches Relikt der 50er Jahre. In einer übriggeblieben Tankstelle mitsamt ehemaliger Werkstatt hat sich ein ideenreiches Paar etabliert, das mit einem besonderen Angebot (Technik/Mode) junge Kundschaft bedient. Maria Zimmermann bestickt individuell und für jeden Kunden passend Jacken, Sweatshirts, Mützen. Das sind Highlights: gestickte Statements à la Edward Hoppers Gemälde “Nighthawks” oder das Motto “persona non grata” auf dem Rücken einer Jeansjacke.

Die Tage ihrer Werkstatt sind gezählt. Trotz nachbarschaftlicher, organisierter Proteste zeigen gewaltige Messlatten und eine gedruckte Bekanntmachung, dass 2021 dieses und die angrenzenden Grundstücke auf ca 100m Länge mit einem 5-geschossigen Rendite-Objekt bebaut werden. Ein noch gut gepflegtes Mehrfamilienhaus aus den -geschätzt- 70er Jahren wird ebenfalls der Abrissbirne zum Opfer fallen.

Erstes Hochhaus Zürichs

Am nächsten Tag bewege ich mich von Enge aus Richtung Innenstadt. Gleich auf den ersten 500 Metern treffe ich auf ein Schmuckstück Schweizerischen Bauens in den 60er Jahren. An Stelle einer, nach langwierigem Streit dennoch abgerissenen, denkmalgeschützten Villa entstand an der Bleicherstrasse das filigrane Hochhaus “Zur Palme”. Mit seinerzeit sensationellen freitragenden Rampen zu einem Parkdeck. Und es konnte auch nur durch eine Änderung der damaligen Hochhaussatzung der Stadt gebaut werden.

Kunstobjekt: Stahl-Messing Kronleuchter, das gerissene Kabel hängt noch an der Decke.

In der Halle Kunst am Bau: der (leise vor sich hin weinende) „Gefallene Kronleuchter“ von Ilya Kabakov. Ein noch vorhandener Kabelrest an der Decke suggeriert zeitnahes Geschehen…

Entsprechend liegt die individuelle Wirkung dieses Kunstwerks beim Betrachter selbst, die Bandbreite an Reaktionen der Besucher kann man sich unschwer vorstellen.

Für Leib und Seele…

Nicht weit entfernt liegt der Paradeplatz, der hier nun endlich zu einem 2. Frühstück oder zum Tee mit dem einen oder andern Pralinée im Café der berühmten Schokoladen-Manufactur Sprüngli einlädt.

Restaurantraum 1 Stock im Café Sprüngli, gemütliche, dämmrige Atmosphäre.

Aber auch zu jeder anderen Tageszeit ist das Café-Restaurant im 1. Stock ein besonders angenehmer Ort und von der Zürcher Gesellschaft ab dem „z‘nüni“ durchgehend gut frequentiert.

Dann kurz dahinter das Fraumünster, in dem man Donnerstags 12:30-13:00 zur Betrachtung der Fenster von Marc Chagall (1967) dem Klang der gewaltigen Orgel lauschen darf.

Gebäude Kaufhaus Globus in Rohbeton. Verschachtelte, horizontale Fassadenteile in asymetrischer Ecklösung im Wechsel mit Fensteröffnungen

Zurück auf der berühmten Bahnhofstrasse kann man sich nun dem gelassenen Schaufensterbummel hingeben, die exklusiven Marken der Welt sind samt und sonders hier versammelt.

Etwas weniger exklusiv, dafür jedoch architektonisch interessant, ist das nah gelegene Kaufhaus Globus. Dem 1892 gegründeten Warenhaus wurde 1967 von Karl Egender am neuen Standort an der Pestalozzi-Anlage neben der Bahnhofstrasse im seinerzeit modernen Sicht-Beton (beton brut) eine passende Form gegeben. Auch heute noch überzeugt die strenge Architektur mit den markanten Lichtöffnungen. Bei der 2005 erfolgten Renovierung mit Umbau wurde die Fassade nicht verändert. Neu hinzugekommene Abteilungen kamen in einem Gebäude gegenüber unter, das sich harmonisch wenn auch aktualisiert in das architektonische Konzept einfügt.

…und den Kopf?

Über die Rudolf-Brun-Brücke schlendere ich dann in die Altstadt und an der Limmat entlang zur Polybahn. Die bringt mich in wenigen Minuten hinauf zur Terrasse der Eidgenössischen Technischen Hochschule mit einem herrlichen Blick über die Stadt. Die ehrwürdige Universität – für mich einer der Gründe, dieses spannendes Wochenende in Zürich zu planen – die im Lebenslauf manchen Nobelpreisträgers genannt wird (Einstein, Röntgen), war auch Lehrstätte so bekannter Architekten wie Jacques Herzog und Pierre De Meuron, Mario Botta, Max Bill, Luigi Snozzi, Peter Zumthor und ist auch heute noch eine renommierte Adresse.

1976 bekam die Abteilung Architektur ein eigenes Areal draussen auf dem Hönggerberg. Dennoch, in diesen heiligen Hallen in der Stadt wehen der Geist der Tradition und Innovation sozusagen Hand in Hand.

Blick vom obersten Geschoss des Hauptgebäudes der ETH. Umlaufende Säulen-geschmückte Galerien

Übrigens besitzt die ETH ein Restaurant im obersten Geschoss (Fahrstuhl +1 Treppe) mit einer grandiosen Aussichtsterrasse, willkommenes Stopover zur Mittagszeit.

Nach dem Intellekt – und nach dem Mittagessen – kommt das Vergnügen zu seinem Recht. Im klassischen Kunsthaus am Heimplatz lasse ich mich auf zielloses Umherstreifen ein und besuche Giacometti.

Die weltweit grösste Sammlung des Schweizer Künstlers fasziniert durch die zurückhaltende Präsentation in offenen Galerien des Hauptraumes. Frühe und späte Werke verschieben sich in der Perspektive zu einem bewegten Szenarium.

Am Kunsthaus

Gegenüber wird gerade der neueste Teil des Kunsthauses Zürich gebaut (Arch. David Chipperfield), eine strenge und doch leichte Fassade, die die Thematik des gegenüberliegenden ersten modernen Seitenfügels des Kunsthauses aufgreift.

Aktualisierung November 2020: Inzwischen fertiggestellt, können das Gebäude und seine Ausstellungen nach vorheriger Anmeldung von Gruppen besichtigt werden.

Dann geht‘s am berühmten Restaurant Kronenhalle vorbei hinab zum Bellevueplatz und Sechseleutenplatz. Hier, vor dem neobarocken Opernhaus, breitet sich riesige Pflaster-Fläche aus…. Wird die jemals von extatisch feiernden Zürchern bevölkert? Zur Zeit sind es jedenfalls nur eine Handvoll Kleinkinder, die die so empfundenen interaktiven Wasserspiele mit kreischendem Vergnügen ausprobieren.

Später lerne ich, dass hier das traditionelle Sechseleuten, also die akustische Ansage des Endes der offiziellen Arbeitszeit, für das Sommerhalbjahr (18 Uhr) zelebriert und entsprechend geräusch- und genussvoll gefeiert wird. Wenn Sie also Mitte April in der Stadt sind, lassen Sie sich dieses Fest der Zürcher Zünfte nicht entgehen, sondern einer der Gründe für Ihr spannendes Wochenende in Zürich sein.

Juwelen der 30er

Am nördlichen Rand des Areals ziert den Bellevueplatz ein Pavillon von Stadtbaumeister Hermann Herter von 1936, der Information und Kiosk der Tramlinien beherbergt. Wunderschön die weich auskragende gerundete Dachplatte, der (denkmalgeschützte) Kiosk darunter antwortet darauf mit gebogenen Glasscheiben. Diese Form der zweckdienlichen Kleinarchitektur mit jenem Hauch der 30er Jahre wird mir in Zürich noch oft begegnen. Für mich ist dies, wenn auch nicht unbedingt einer der sechs (Haupt-) Gründe für ein spannendes Wochenende in Zürich, dennoch jedesmal eine besondere, zufällig entdeckte Augenweide.

Am „Corso“ vorbei, einem Kinogebäude mit interessanter Jugendstil-Fassade, finde ich dahinter den Stadelhofer Platz und den gleichnamigen Bahnhof. Der spanische Architekt Santiago Calatrava, ein Absolvent der ETH, hat hier mit Bravour den enormen Bahn- und Personenverkehr eines der meistfrequentierten Bahnhöfe in Zürich auf kleinem Raum gemeistert.

Dem Konzept hat er eine charakteristische Form gegeben, für die ihm die Rippenstruktur eines Stieres Vorbild gewesen sein soll.

Gebäude in Form eines Pyramidenstumpfes. Fassadenbekleidung in Corten-Stahl, Sonnenschutz-beschichtete Fenser in umlaufenden Fensterbändern
Blick nach oben in Beton-Treppenhaus.
Treppenhaus Pyramide

Weiter Richtung Süden führt mich mein Spaziergang den Utoquai entlang, wo ich unvermutet auf die „Pyramide“ des Schweizer Architekten Justus Dahinden stosse.

Das futuristisch anmutende, in rostroten Stahl und braungetönte Fenster gehüllte Gebäude von 1970 beherbergt heute eine Privatklinik.

Meisterwerk im Grünen

Dann gleich dahinter die nächste Entdeckung. Das 1931 von Alfred Breslauer im Berliner Villenstil erbaute heutige Museum Bellerive ist seit 2018 der Sitz des Züricher Architekturzentrums. Es widmet wechselnde Ausstellungen allgemeinen Themen zu Architektur und Städtebau, die ein breites Publikum interessieren dürften.

Original-Bad mit Doppelwaschtisch und Badewanne in grau gefliestem Bad von 1931

Obwohl gerade eine neue Ausstellung aufgebaut wird, werde ich freundlich begrüsst und darf ungestört in den harmonisch proportionierten Räumen fotografieren, auch das noch im Originalzustand erhaltene Bad im Obergeschoss.

Die Ausstellung “Wie wollen wir wohnen?” über (Züricher) Wohnbaugenossenschaften ist schon vom Thema her sehenswert, läuft bis ca. Ende Januar 2020 (aktualisiert: aus gegebenem Anlass Verlängerung bis zum 19.7.2020) und wird von diversen Vorträgen begleitet.

Ein kurzes Stück durch die Höschgasse, dann glänzt rechter Hand eine Ikone neuzeitlicher Architektur und das letzte Werk des Architekten Le Corbusier.

Ein Lehrstück in Architektur

Der Stahl-Glas Pavillon, auf Betreiben der Galeristin Heidi Weber als Ausstellungsgebäude für die Werke Le Corbusiers konzipiert, wurde 1967 eröffnet. Nach 50 Jahren fiel er wieder an die Stadt Zürich, die ihn in kürzlich aufwändig restaurieren liess.

Schmale, freitragende Treppenläufe, Betonstruktur, mit schwarzem Stahl-Geländer vor gelben Wänden

Seit Mitte 2019 ist er wieder öffentlich zugänglich und vermittelt eindrucksvoll die Gestaltungs-Prinzipien des Architekten. Angemessene Proportionen, eindrucksvolle Detaillösungen und ein interessantes Raumkonzept machen den Bau zu einem wichtigen Punkt auf meiner Liste der sechs Gründe für ein spannendes Wochenende in Zürich. Hoch und niedrig, eng und weit, hell und dunkel sind die wechselvollen Themen des Hauses.

Der nah gelegene China Garten will da gar nicht in meine Stimmung passen; ich streune lieber weiter durch die Wiesen bis zur Anlegestelle Zürich Horn, von wo aus mich die Fähre (auch dies in die Leistungen der Zürich-Card eingeschlossen) über den See zurück zum Bürkli-Platz bringt.

Frauenbadi

Hier nun folgt der krönende Abschluss des Tages, ein Besuch im Frauenbadi. Ja, richtig, es handelt sich um ein tagsüber Frauen vorbehaltenes öffentliches Schwimmbad im Jugendstil, erbaut 1888 in der Limmat und im Original erhalten. Abends ab 20 Uhr (Mai bis September) verwandelt es sich jedoch in die „Barfussbar“, in der dann auch Männer zugelassen sind. Also: Schuhe aus und ent-spannen…

Freibad in der Limmat, rechteckige, gedeckte Umgänge, Aussenwände in kleinteiliger Holz-Glas-Verkleidung
Foto von Jürg-Peter Hug, Zürich, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16003455

Entdeckungen an der Selnaustrasse

Die letzten meiner sechs (oder mehr) guten Gründe für ein spannendes Wochenende in Zürich erforsche ich am nächsten Tag am westlichen Rand der Innenstadt.

Parallel zum Flüsschen Siehl fallen hier mehrere neue Bürogebäude mit zum Teil filigran gestalteten Fassaden ins Auge. Einige davon mit ausgeklügelten Sonnenschutz-Systemen (siehe Foto oben rechts und links).

Die interessante, bewegt gestaltete Fassade gehört dem Hochhaus des SIA (Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein, Foto oben). Die abweisend glänzende Granit-Verkleidung am massigen Block der früheren Börse gleich um die Ecke (Foto unten links), heute von Banken und Versicherungen genutzt, schmückt interessante, mattierte Ornamentik. Ein Versuch, immerhin.

Weiter flussab liegt das frühere Unterwerk Siehl der Elektrizitätswerke Zürich, dessen markantes Gebäude heute als Ausstellungs- und Veranstaltungsraum genutzt wird.

Übereck-Fenster des Hallenbades, gekrümmte Glasscheiben in Metallrahmen.

In der Umgebung weitere Bauwerke aus den 1920er bis 50er Jahren, mehr oder weniger gut erhalten. Darunter auch das etwas versteckt liegende Hallenbad City, ein schöner, 2013 hervorragend renovierter Bau von Hermann Herter (s.o. Bellevueplatz-Pavillon) von 1941, das ursprünglich auch ein Restaurant mit Blick in die Schwimmhalle enthielt.

Wer mag, kann heute im Obergeschoss im neuen Erfrischungsraum eine Jause aus dem Automaten ziehen.

Büroadresse: Europaallee

Dann weiter nördlich falle ich in die in den letzten Jahren in Mode gekommene Firmen-Adresse „Europaallee“ ein.

Eine Meile Architektur der Jetztzeit, ökonomisch glatt. Kaum ein Entwurf erlaubt sich einen wenn auch nur minimalen Ausreisser aus dem orthogonalen Stadtplanungs- und Fassadenraster. Schönheit liegt dann auch hier oft im Detail…

Dann überrascht der Bahnhof noch mit interessanten Betonbau-Details aussen und an den Zugängen der Bahnsteige (Architekten: Dürig AG, 2014). In der alten Halle schwebt begütigend der “Schutz”-Engel von Niki De Saint Phalle über den Reisenden.

Das Schweizerische Landesmuseum nebenan befindet sich derzeit im Umbau (Arch. Christ & Gantenbein). Da der Eintritt in der Zürich-Card inbegriffen ist, lasse ich mich dennoch hinreissen. Aber noch gibt es nur wenig, das vom neuen Anbau zu sehen ist. Und der Rückweg zum Ausgang gleicht einem Irrgarten durch geschlossene, provisorische Gänge. Man sollte vielleicht warten, bis die Umbauten abgeschlossen und alle neuen Räume für Besucher zugänglich sind.

Blick von oberer Galerie in unteren Ausstellungsraum, Sichtbeton

Die Ankündigung der Ausstellungen ist jedoch vielversprechend. Viele interaktive Stationen zu Geologie und Geschichte der Schweiz werden den Besucher erwarten.

Der angrenzende Park dagegen ist schon jetzt eine spannende Begegnungsstätte der Kulturen. Inder, Chinesen, Japaner, Europäer, Süd- und Nord-Amerikaner veranstalten hier ihr lässiges Picknick und kommen über dampfenden Suppentöpfen und unter höchst privater Gitarrenmusik-Begleitung locker ins Gespräch.

Bauhaus pur!

Anschliessend passt der Besuch des Museums für Gestaltung besonders gut in mein Konzept. Der denkmalgeschützte, schlichte Bau im klassischen Bauhausstil zeigt seine Sammlung schweizerischen Designs neben wechselnden Ausstellungen. Auch hier spart meine Zürich-Card den Eintritt von immerhin 12 CHF und versorgt mich durch eine kostenlose Führung mit allen gewünschten Informationen.

Tram-Pavillon mit runden Kiosken und amorpher Deckenplatte (Beton) und ausgespartem Bereich durch dem ein Baum wächst.
Tram Kiosk Limmat-Platz

Am Limmat-Platz dann finde ich das Café Lang in der Ecke hinter dem Tram Kiosk, das berühmt sein soll für seinen Kaffee und die exklusive Gesellschaft, die diesem mittlerweile „hippen“ Viertel zum Aufschwung verholfen hat. Nun denn, der Kaffee ist hervorragend und wird – ganz wienerisch – mit einem Glas Wasser serviert.

Auf dem Rückweg in Richtung Innenstadt entdecke ich einen Laden der besonderen Art. Solutionpool an der Staufacher Strasse bietet Design-Klassiker second hand für Büro und Zuhause. Und bringt mich in den Besitz eines lange vermissten Kombi-Steck-Leuchters aus den 60ern.

Klassizistisches Ziegelgebäude mit Risaliten, Sockelbereich in grauem Naturstein

Und wer sich für Bau-Material interessiert, dem sei die Schweizer Baumuster-Zentrale empfohlen. Die seit 1929 bestehende Genossenschaft zeigt in einer ehemaligen Blusenfabrik 1:1 (fast) alles, was der Bau-Willige, ob Fachmann oder Laie, sich an Baustoffen und Materialmustern vorstellen mag. Information aus erster Hand. Dazu Vorträge, wechselnde Ausstellungen und weiterbildende Begleitveranstaltungen. Ich komme durch Zufall in den Genuss einer kompetenten Präsentation zu Zementfliesen, die auf Mallorca seit mehr als 100 Jahren verbaut werden und in den letzten 10 Jahren wieder sehr beliebt wurden.

Auf einen Apero mit Jules Verne

Kurz vor der Dämmerung nun erklimme ich die luftigen Höhen der Urania-Sternwarte, das heisst genauer die der Panoramabar Jules Verne direkt unter der Kuppel. In dieser eleganten Umgebung einen Drink oder Cocktail zu geniessen mit dem herrlichen Blick zum Sonnenuntergang über die Innenstadt bis zum Zürichsee… Wer könnte bestreiten, dass dies schon an und für sich Wert ist, die Stadt zu besuchen, und damit ganz sicher einer der Gründe für ein spannendes Wochenende in Zürich.



Zürich Card, für die Fahrt mit Bus, Tram, Bahn und viele freie oder vergünstigte Eintritte in Museen und Ausstellungen: https://www.zuerich.com/en/visit/your-city-travel-pass

Mode-Werkstatt Maria Zimmermann: https://www.maria-zimmermann.ch/jacken

Hotel B2 Hürlimann-Areal https://www.b2boutiquehotels.com/de/

Hochhaus zur Palme: https://de.wikipedia.org/wiki/Hochhaus_zur_Palme

Zentrum für Architektur Zürich (ZAZ), Museum Bellerive: https://www.zaz-bellerive.ch/

Solutionpool: https://www.solutionpool.ch

Schweizer Baumuster-Zentrale: https://www.baumuster.ch/


Die Beschreibungen der erwähnten Lokale, Geschäfte und Aktivitäten beruhen ausschließlich auf eigenen Erfahrungen zum Zeitpunkt der Reise. Sie wurden von den Unternehmen weder beeinflusst noch bezahlt oder durch irgendeine Art von Zuwendungen gesponsert.

Alle Fotos, soweit nicht anders angegeben: ©Angelika Hermichen